Heute war im EU-Parlament die Abstimmung über die Reform (oder besser gesagt das Reförmchen) des Europäischen Emissionshandelssystems. Leider stimmte eine knappe Mehrheit gegen die Backloading genannte Reform.
Viele feiern diese Ablehnung als Erfolg, allen voran unser Bundeswirtschaftsminister:
EP gegen Verteuerung #Emissionszertifikate. Gutes Signal: Klimaziele werden jetzt schon erreicht, keine weiteren Belastungen. #bmwi #fdp
— Philipp Rösler (@philipproesler) 16. April 2013
Dabei wird zweierlei verkannt:
Zum einen ist ein Emissionshandel ohne Belastungen sinnlos: Emissionszertifikate sollen Treibhausgasemissionen verteuern und somit Anreize zu Investitionen in emissionsärmere oder emissionsfreie Technologien anregen. Um überhaupt wirksame Emissionsreduktionen zu bewirken, müssen die Zertifikate eine gewisse Belastung darstellen und brauchen daher ein spürbares Preisniveau. Der Handel mit den Emissionszertifikaten ist also kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zu Erreichung eines höheren Ziels.
Zum anderen übersieht diese Position, dass das Klimaschutzziel der EU nicht ausreichend ist. Die EU hat sich bisher zu einer Reduktion der jährlichen Treibhausgasemissionen von 20 % gegenüber dem Basisjahr 1990 verpflichtet. Um das weitgehend akzeptierte Zwei-Grad-Ziel, also der Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um höchstens 2 °C seit Beginn der Industrialisierung, noch zu erreichen, sind allerdings deutlich größere Emissionsreduktionen notwendig. Im letzten Weltklimabericht des IPCC wurde eine nötige Reduktion des Treibhausgasausstoßes von 25 % bis 40 % für Annex-I-Staaten (also Industriestaaten) ermittelt. ((IPCC, 2007: Climate Change 2007: Mitigation. Contribution of Working Group III to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [B. Metz, O.R. Davidson, P.R. Bosch, R. Dave, L.A. Meyer (eds)], Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA.)) Auch der jüngste Emissions Gap Report des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) zeigte, dass deutlich ambitioniertere Reduktionsverpflichtungen nötig sind als bisher global vereinbart. ((UNEP 2012: The Emissions Gap Report 2012. United Nations Environment Programme (UNEP), Nairobi.)) Nimmt man diese wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse als Maßstab, dann ist die Aussage „Klimaziele werden jetzt schon erreicht“ nicht mehr haltbar.
Nötig wäre also eine deutliche Verschärfung der Ambitionen der EU beim Klimaschutz. Eine Anhebung des Reduktionsziels auf 30 % wird ja schon länger innerhalb der EU diskutiert. Das Backloading beim Emissionshandel wäre ein erster Schritt hin zu solchen weiteren Emissionsreduktionen.
Zum Weiterlesen, welche Implikationen die heutige Entscheidung auf die europäische und die internationale Klimapolitik hat, empfehle ich das Spiegel-Interview mit Felix Matthes: „Das ist das Ende einer europäischen Klimapolitik“.
Update 17.04.2013: Zweite Leseempfehlung: „Desaster für den Klimaschutz in Europa“ von Cerstin Gammelin auf sueddeutsche.de.
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