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Der Emissionshandel ist das Mittel, nicht das Ziel

Profiteure der heutigen Entscheidung [1]

Profiteure der heutigen Entscheidung

Heute war im EU-Parlament die Abstimmung über die Reform (oder besser gesagt das Reförmchen) des Europäischen Emissionshandelssystems [2]. Leider stimmte eine knappe Mehrheit [3] gegen die Backloading genannte Reform.

Viele feiern diese Ablehnung als Erfolg, allen voran unser Bundeswirtschaftsminister:

Dabei wird zweierlei verkannt:

Zum einen ist ein Emissionshandel ohne Belastungen sinnlos: Emissionszertifikate sollen Treibhausgasemissionen verteuern und somit Anreize zu Investitionen in emissionsärmere oder emissionsfreie Technologien anregen. Um überhaupt wirksame Emissionsreduktionen zu bewirken, müssen die Zertifikate eine gewisse Belastung darstellen und brauchen daher ein spürbares Preisniveau. Der Handel mit den Emissionszertifikaten ist also kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zu Erreichung eines höheren Ziels.

Zum anderen übersieht diese Position, dass das Klimaschutzziel der EU nicht ausreichend ist. Die EU hat sich bisher zu einer Reduktion der jährlichen Treibhausgasemissionen von 20 % gegenüber dem Basisjahr 1990 verpflichtet. Um das weitgehend akzeptierte Zwei-Grad-Ziel [8], also der Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um höchstens 2 °C seit Beginn der Industrialisierung, noch zu erreichen, sind allerdings deutlich größere Emissionsreduktionen notwendig. Im letzten Weltklimabericht des IPCC wurde eine nötige Reduktion des Treibhausgasausstoßes von 25 % bis 40 % für Annex-I-Staaten (also Industriestaaten) ermittelt. ((IPCC, 2007: Climate Change 2007: Mitigation. Contribution of Working Group III to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [9] [B. Metz, O.R. Davidson, P.R. Bosch, R. Dave, L.A. Meyer (eds)], Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA.)) Auch der jüngste Emissions Gap Report des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) zeigte, dass deutlich ambitioniertere Reduktionsverpflichtungen nötig sind als bisher global vereinbart. ((UNEP 2012: The Emissions Gap Report 2012 [10]. United Nations Environment Programme (UNEP), Nairobi.)) Nimmt man diese wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse als Maßstab, dann ist die Aussage „Klimaziele werden jetzt schon erreicht“ nicht mehr haltbar.

Nötig wäre also eine deutliche Verschärfung der Ambitionen der EU beim Klimaschutz. Eine Anhebung des Reduktionsziels auf 30 % wird ja schon länger innerhalb der EU diskutiert. Das Backloading beim Emissionshandel wäre ein erster Schritt hin zu solchen weiteren Emissionsreduktionen.

Zum Weiterlesen, welche Implikationen die heutige Entscheidung auf die europäische und die internationale Klimapolitik hat, empfehle ich das Spiegel-Interview mit Felix Matthes: „Das ist das Ende einer europäischen Klimapolitik“ [11].

Update 17.04.2013: Zweite Leseempfehlung: „Desaster für den Klimaschutz in Europa“ [12] von Cerstin Gammelin auf sueddeutsche.de.

4 Kommentare (Öffnen | Schließen)

4 Kommentare Empfänger "Der Emissionshandel ist das Mittel, nicht das Ziel"

#1 Pingback von Grüner Nomade » Blog Archive » Do the Math am 20. Mai 2013 00000005 21:58 136907991809Mo, 20 Mai 2013 21:58:38 +0200

[…] Das europäische Emissionshandelssystem ist allerdings bei Weitem nicht ambitioniert genug. [↩] […]

#2 Pingback von Grüner Nomade » Blog Archive » Deutsche CO2-Emissionen steigen, europäische sinken am 31. Mai 2013 00000005 23:54 137003729011Fr, 31 Mai 2013 23:54:50 +0200

[…] CO2-arme Stromerzeugung setzen kann. Diese Anreizfunktion könnte beispielsweise durch eine Verstärkung des Treibhausgasreduktionsziels wieder hergestellt […]

#3 Kommentar von Wassili am 26. Juni 2013 00000006 10:25 137223511010Mi, 26 Jun 2013 10:25:10 +0200

Der Preis für die Emissionszertifikate ist aktuell niedrig. Dies bedeutet jedoch nicht nur, dass weniger Geld in den Energie- und Klimafonds fließt, sondern auch, dass wir unsere Klimaziele vergleichsweise günstig umsetzen können. Der Emissionshandel funktioniert also und hilft uns allen, auch den Investoren, den kostengünstigsten Weg der Energiewende zu finden. (Quelle: [18] )
So ist es es möglich privaten Investoren zur Energiewende beizutragen. Außerdem muss der Staat die Rahmenbedingungen so gestallten, dass private Investoren aus eigener Interesse beitragen.

Gruß,
W.

#4 Kommentar von Lukas am 26. Juni 2013 00000006 11:29 137223897411Mi, 26 Jun 2013 11:29:34 +0200

Ein geringer Preis kann nur geringe Anreize zur Einsparung setzten. Beispielsweise setzt der Emissionshandel derzeit keine Anreize, Strom in Gaskraftwerken statt in Kohlekraftwerken erzeugen.