Von Lukas Emele.
Nachdem ich mich lange nicht entscheiden konnte, welchen Workshop ich in der zweiten Session der grünen Zukunftskonferenz besuchen solle, [2] habe ich mich schlussendlich für den Workshop Nachhaltiger Konsum für alle [3] entschieden.
Input Harald Welzer
Den ersten Input hielt der Sozialpsychologe Prof. Dr. Harald Welzer [4], der unter anderem durch das Buch Klimakriege bekannt geworden ist. Er ist der Meinung, dass die Dimension des Transformationsprozesses wird noch gar nicht richtig verstanden worden ist und dass der Wandel zur Nachhaltigkeit mehr hin eine gesamtgesellschaftliche Transformation ist. Dies sei ähnlich der ersten industriellen Revolution, bei der nicht nur die Energieversorgung fundamental verändert wurden, sondern zu einer großen gesellschaftlichen Transformation mit Veränderung der Arbeits- und Familienverhältnisse führte. Darüber hinaus stellte er in den Raum, was den eigentlich wirklicher Wohlstand ist? Auf jeden Fall nicht der Wohlstandsbegriff, der die letzten 50 Jahre geprägt hat. Das aktuelle Wohlstandsmodell sei nicht sakrosankt, es müsse geändert werden. Sinn wird in unserer Gesellschaft vor allem aus Konsum geschöpft.
Das Problem dabei ist: Unser derzeitiges Wohlstandsmodell ist Kern der Demokratie in der Nachkriegsbundesrepublik. Als Beispiel führte er die Nespresso-Kultur an: Nespresso das Paradebeispiel für unser Wohlstands- und Wachstumsmodell, das nach der Minimierung eines nutzbaren eigentlichen Produkts und der Maximierung des Drumherums strebt. Außerdem ging er auf das Vorurteil ein, dass sozial schwache Gruppen, wie beispielsweise Hartz-IV-EmpfängerInnen sowieso nicht nachhaltig leben könnten, wie z.B. Bioprodukte kaufen. Im Gegenteil: gerade diese Gruppen seien besonders nachhaltig, da sie weniger Geld zum Konsum haben und somit z.B. in kleineren Wohnungen leben und weniger Flugreisen machen. Der Blick auf die Hartz-IV-Empfänger sei auch deshalb falsch, da das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in allen gesellschaftlichen Gruppen fehle. So ist der Kauf eines SUV ist strategischer Konsum hin zu einem Bestand des derzeitigen Systems.
Input Nicole Maisch
Den zweiten Input hielt die grüne Bundestagsabgeordnete Nicole Maisch [5]. Ihrer Meinung nach ist eine sozial-ökologische Transformation ist nicht nur ein kulturelles Problem, sondern auch ein kulturelles Projekt. Es gehe um nichts weniger, als um eine Lebensstildebatte: Wie wollen wir leben? Auf einem Weg zu einem nachhaltigem Lebensstil setzt sie dabei stark auf strategischen Konsum, denn damit könne nicht nur eine Veränderung der Geldströme und Arbeitsbedingungen erfolgen, gleichzeitig sei es auch ein Mittel der Politisierung und Mobilisierung der KäuferInnen in der Art einer Graswurzelstrategie. Aber auch die Politik hat einige Möglichkeiten, z.B. andere Regeln oder Preisbeeinflussungen (Agrarsubventionen). Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, Bio als Standard setzen, und eine Pflicht einführen, nach der alle Produkte als „unökologisch“, „tierschutzfeindlich“ usw., die nicht den Standards entsprechen. Für das Verhalten von KäuferInnen seine Preise ist nicht immer entscheidend, oft sind kulturelle Hürden viel entscheidender
Input Uwe Gerber
Einen Kurzinput brachte Uwe Gerber von der BAG ChristInnen ein, in dem er die seiner Meinung derzeit vorherrschenden drei ethisch-moralische Modelle verbreitet:
- Ein liberalistisch-individualistisches Modell, die eine reine Interessenmoral ist und die auf dem Mythos des autonomen, sich frei entscheidenden Menschensubjektes basiert.
- Zum anderen ein Nützlichkeitsmodell (Utilitarismus): Dieses geht vom größtmöglichen Glück einer möglichst großen Anteil der Bevölkerung aus.
- Zum dritten ein altruistisches Modell, dessen Grundlage nicht das Individium ist, sondern die zwischenmenschlichen Beziehungen sind. Das heißt Grundlage ist, für den anderen einzustehen.
Offene Runde
Nach den Inputs wurde die Diskussion an die TeilnehmerInnen im Saal geöffnet. Die Diskussion sollte sich dabei an den folgenden Fragen orientiern:
- Soll die Politik (z.B. über aktive Preis- und Steuerpolitik) das Konsumverhalten der Menschen weiter steuern? Wenn ja wie? Und ist ein solches Vorgehen mit dem grünen Grundwert der Selbstbestimmung in Einklang bringen?
- Wie kann mit einer wachstumskritischen Verbraucherpolitik ein nachhaltiger gesellschaftlicher Wohlstand gesichert werden und wie lassen sich dabei Reboundeffekte vermeiden?
- Wie schaffen wir auch für sozial Schwache Zugänge zu einem nachhaltigen Lebensstil?
In dieser Runde fielen viele Thesen und Statements. Die meiner Meinung nach wichtigsten gebe ich hier stichpunktartig wieder. ((Die Reihenfolge stellt keine Bewertung meinerseits dar, sondern ist rein chronologisch.))
- Problem: Niedergang der Reparaturkultur. Zusätzlich werden Geräte nur noch stoffliches recyclet, aber es geschieht kein wirkliches Recycling statt in dem Sinne, das Komponenten wiederverwertet werden.
- Gesamtes Verhalten ist kulturhistorische geprägt. Beispielsweise ist Fleischkonsum ein Zeichen von Wohlstand ist, Gerade daher werde von armen Menschen besonders viel Fleisch konsumiert, da dieser Konsum eben ein Wohlstandsymbol sei.
- Ethischer Konsum sei auch innerhalb grüner Veranstaltungen schwierig. Beispielsweise ist die Zukunftskonferenz eine der wenigen Veranstaltungen, bei denen auch veganes Essen angeboten wird.
- Problem ist die Angst vieler Menschen, dass alles teurer wird. Daher sei Preissteuerung sehr schwierig umzusetzen.
- Es herrsche eine große Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und tatsächlichem Konsum.
- Kritisiert wurde die mangelnde Transparenz von Siegeln: es gibt gute und schlechte Siegel, für die Verbraucher sind die Kriterien in der Regel nicht durchschaubar.
- Arbeit muss billiger werden, Gegenstände müssten deutlich teurer werden. Dadurch könnten Rebound-Effekte vermieden werden.
- Global gesehen müsse die Machtfrage und damit Eigentumsfrage gestellt werden bezüglich der Nahrungsmittelproduktion und -verteilung um zu einer wirklich nachhaltigen Konsum zu kommen.
Abschlussrunde
In der Abschlussrunde kamen Nicole Maisch und Harald Welzer noch einmal zu Wort:
Welzer betonte, dass die öffentliche Debatte zur Zeit eine sehr stark auf den Klimawandel reduzierte Diskussion sei. Der Klimawandel sei aber lediglich ein Symptom einer Kultur, die die Ressourcen übernutze. Nötig wäre eine Umformatierung von technokratisch-expertokratischen Ansätzen hin zu gesamtgesellschaftlichen Lösungen, die anschlussfähig sind an Lebenspraktiken, die die Menschen sowieso schon haben. Dies geht alles ohne große Konferenzen, sondern das könne man einfach machen.
Der Umbau des Konsums ist für Maisch ein gigantisches Transformationsprojekt, das nur über eine Informierung der Menschen geschehen könne. Ein wichtiger Ansatz sei dabei auch der Aspekt Zeit: Wenn Menschen mehr Zeit bekommen, könnten sie auch dazu bereit sein, weniger zu konsumieren.
Zum weiterlesen:
- Thesenpapier Nachhaltiger Konsum für alle [3]
- Gastkommentar von Peter Unfried [6]
- Essay von Harald Welzer: Mentale Infrastrukturen – Wie das Wachstum in die Welt und in die Seelen kam [7]
4 Kommentare Empfänger "Forum Ökologie, Ökonomie: Nachhaltiger Konsum für alle"
#1 Kommentar von Chris am 30. August 2011 00000008 16:06 131471317204Di, 30 Aug 2011 16:06:12 +0200
Mir persönlich fehlt ein Aspekt bei der 1. Frage der offenen Runde: Bevormundund des Verbrauchers
Wenn der Staat über eine Preis- oder Steuerunspolitik versucht das Konsumverhalten der Menschen zu steuer, finde ich das insgesamt eine zu große Bevormundung des Verbrauchers.
Vielmehr sollte der Staat dazu übergehen vernünftig zu informieren (z.B. mit aussagekräftigen Siegeln o.ä.).
Insgesamt scheint es eine sehr spannende Diskussionsrunde gewesen zu sein.
#2 Kommentar von anonym am 3. November 2011 00000011 11:20 132031563111Do, 03 Nov 2011 11:20:31 +0100
Wir als Menschen und oberstes Glied der Nahrungskette tragen eine soziale Verantwortung. Diese Verantwortung tragen wir auf der einen Seite für unsere heutige Gesellschaft sowie alle zukünftigen Generationen und auf der anderen Seite auch für die Umwelt, mit all den darin lebenden Tieren und Pflanzen als. Wir müssen beginnen die Umwelt als eigenständiges und schützenswertes Individuum zu betrachten. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn die Weltgemeinschaft anfängt ein gemeinsames Verständnis für den gerechten Umgang mit der Umwelt zu entwickeln
#3 Kommentar von anonym 2 am 19. Dezember 2011 00000012 18:43 132431662006Mo, 19 Dez 2011 18:43:40 +0100
Ich schließe mich der Meinung von „anonym“ an. Wir sollten mehr Verantwortung für unser Handeln tragen und gewissenhafter handeln. Allerding denke ich, dass ein großer Umschwung erst dann geschieht, wenn die ganze Welt an einem Strang zieht und das wird schwer.
#4 Kommentar von Andreas M. am 26. März 2012 00000003 11:19 133275354911Mo, 26 Mrz 2012 11:19:09 +0200
Das Problem dabei ist wir können uns anstrengen soviel wir wollen, wenn die USA und China dazu nicht bereit ist, sind wir im Ausverkauf.