Samstag, 31. Juli 2010 | Autor: | Artikel ausdrucken
friday 021 (2).jpg von gogoolplex unter CC-BY-NC-2.0-Lizenz

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Nutzung der Sonnenenergie in der Arktis? Was ist denn das für eine Schnappsidee? Ist das nicht genauso sinnlos, wie eine Skipiste in der Wüste anlegen zu wollen? So weit im Norden scheint doch sowieso das halbe Jahr keine Sonne. Und wenn sie dann mal da ist, dann schafft sie es doch kaum über den Horizont. Außerdem ist es in der Arktis sowieso immer eiskalt.

Das werden wahrscheinlich viele von euch gedacht haben, als sie die Überschrift gelesen haben. Kann aber der Einsatz von solarthermischen Anlagen auch in arktischen Gegenden sinnvoll sein?

Genau diese Frage untersuchte ich zusammen mit einem Kommilitonen für einen Vortrag im Rahmen der Vorlesung Solarthermie-Vertiefung an der Uni Kassel. Konkret haben wir dabei eine Solarthermieanlage für eine kleine fiktive Forschungsstation ausgelegt. Die Wärme der Sonne soll dabei sowohl zur Untersützung der Heizung, als auch zur Trinkwassererwärmung genutzt werden. Die Forschungsstation steht dabei in Ny-Alesund, einem der nördlichen bewohnten Orte der Welt. Ny-Alesund liegt auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen, etwa 1000 km weiter nördlich als die nördlichsten Ausläufer des europäischen Festlands rund um das Nordkap.

Für die Auslegung der Solarthermieanlage haben wir und sehr lange mit den klimatischen Verhältnissen und insbesondere mit der solaren Einstrahlung in Spitzbergen auseinandergesetzt. Für die Temperaturdaten fanden wir verlässliche Daten beim Statistisches Zentralamt Norwegen. Demnach beträgt die Jahresdurchschnittstemperatur in Ny-Alesund bibberig-kalte -6,4 °C. Aber für arktische Verhätnisse ist das sogar noch relativ warm, denn in Spitzbergen sind noch die letzten Ausläufer des Golfstroms zu spüren. Im Juli beträgt die Durchschnittstemperatur immerhin „sommerliche“ 4,7 °C. Das ist immerhin so viel, wie in Kassel im März. Dafür wird es dann im Februar mit durchschnittlichen -15,2 °C richtig kalt. Für die Temperaturen hatten wir also Daten, die gut genug waren, um mit ihnen arbeiten zu können.

Temperatur und Solarstrahlung in Ny-Alesund, Spitzbergen

Temperatur und Solarstrahlung in Ny-Alesund, Spitzbergen

Die Suche nach vernünftigen und verlässlichen Daten für die Sonneneinstrahlung hingegen war deutlich schwieriger. Wir haben schlussendlich auch drei Quellen gefunden: die NASA-Webseite Surface meteorology and Solar Energy,die professionelle meterologische Datenbank METEONORM und einen Messbericht ((vollständiger Titel: Kupfer, H., Herber, A., König-Langlo, G.: Radiation measurements and synoptic observations at Ny-Ålesund, Svalbard)) von einer Messkampagne von Vorort. Allerdings differieren die Angaben in diesen drei Quellen sehr. Sowohl die Angaben zu der Globalstrahlung (also der gesamten Strahlung), als auch die Angaben zu den einzelnen Strahlungsanteilen (direkte, diffuse und reflektierte Strahlung) variierten sehr. So gibt z.B. die NASA für den Strahlungsanteil, der vom Boden reflektiert wird, einen ganzjährigen Anteil von unter 20 % an. In dem erwähnten Messbericht hingegeben fanden wir Angaben von bis zu 80 % so lange Schnee liegt. (Die Schneeschmelze ist auf Spitzbergen typischerweise im Juni.) Da wir nicht wussten, welche Quelle die zuverlässigste ist, gingen wir davon aus, dass die wahren Werte irgendwo in der Mitte der jeweiligen Daten liegen. Daher mittelten wir die Daten der drei Quellen.

Für unsere Forschungsstation nahmen wir eine Nutzfläche von 300 m² an und das bis zu 10 Personen gleichzeitig in der Station arbeiten und forschen. Das bedeutet, es geht relativ eng zu, aber das ist auf Forschungsstationen durchaus üblich. Da wegen der geringen Durchschnittstemperaturen auch im Sommer geheizt werden muss, haben wir den Heizwärmebedarf mit 100 kWh/(m²·a) abgeschätzt. Das entspricht einem deutschen Niedrigenergiehaus, das nach Spitzbergen transferiert wird.

Mit unseren Annahmen zu Heizwäme- und Warmwasserbedarf und unseren Abschätzungen bezüglich der Sonneneinstrahlung haben wir eine Solarthermie-Anlage so ausgelegt, mit der wir etwa 25 Prozent des sonst verwendeten Energieträgers, z.B. Heizöl, einsparen können. Damit kamen wir auf eine Auslegung mit 34 m² Vakuumröhrenkollektoren und einem Warmwasserspeicher von 2000 l.  Für Vakuumröhrenkollektoren haben wir uns entschieden, da diese geringere Wärmeverluste haben als herkömmliche Flachkollektoren, insbesondere bei besonders tiefen Umgebungslufttemperaturen. Die Kollektoren wollen wir dabei senkrecht aufstellen, um da Röhrenkollektoren Strahlung aus fast allen Richtungen absorbieren. Außerdem minimieren wir durch eine senkrechte Montage die mögliche Schneebedeckung der Kollektoren. Das wir mit unseren Überlegungen nicht ganz falsch lagen, zeigte uns das Beispiel der Solarthermieanlage der Knut Rasmussen High School in Sisimiut auf Grönland. Allerdings liegt Sisimiut auch etwa 1500 km südlicher als Ny-Alesund, sodass nicht alle Ergebnisse von dort direkt übertragbar sind.

Wir machten auch eine grobe Wirtschaftlichkeitsberechnung. Da wir – wie oben erwähnt – uns relativ unsicher waren, bezüglich der Solarstrahlungsdaten, haben wir mit drei unterschiedlichen Werten für die Jahressumme der solaren Einstrahlung gerechnet und die Anlage entsprechend angepasst. Wir gingen davon aus, dass wir von den geschätzten Investitionskosten (45.000 bis 52.000 Euro) einen Teil (20.000 Euro) als Fördermittel bekommen würden, das es sich ja um eine Pilotanlage handelt. Eine solarthermische Anlage gibt es unseren Recherchen nach auf ganz Spitzbergen nämlich noch nicht. Unter diesen Annahmen kamen wir auf eine Amortisationszeit von 19 bis 22 Jahren, was gerade noch unter der typischen Lebensdauer der Anlage von 25 Jahren liegt. Geholfen haben uns aber zum Teil auch die hohen Energiekosten in Spitzbergen: eine Kilowattstunde Strom kostet dort umgerechnet über 30 Eurocent, ein Liter Heizöl etwa einen Euro.

Mit unserer Arbeit konnten wir zeigen, das der Einsatz einer Solarthermieanlage auf Spitzbergen erfolgversprechend scheint, allerdings mit deutlich längeren Amortisationszeiten als für Anlagen in Deutschland. Aber auch wenn sich eine Solarthermieanlage nicht unbedingt wirtschaftlich lohnt, so lohnt sie sich für die Umwelt doch immer. Denn die Solarthermieanlage trägt auf jeden Fall dazu bei, den Verbrauch an anderweitigen Energieträgern, zum Beispiel Heizöl, zu reduzieren.

Wer sich alle Folien des Vortrags „Planung einer solarthermischen Anlage für eine Forschungsstation auf Spitzbergen“ (PDF 1,48 MB) anschauen möchte, kann dies gerne tun.

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14 Kommentare

  1. 1
    anonym 

    Das Bild sieht sehr interessant aus, aber mir gefällt es.

  2. 2
    Herbert 

    Ich wäre ja ehrlichgesagt gar nicht auf die Idee gekommen, aus Spitzbergen irgendwie Energie herauszuholen. Ich fande dein Projekt sehr interessant. Hoffe, du hast noch mehrere solcher projekte auf Lage.

  3. 3
    Anonymus 

    Als ich die Überschrift las, dachte ich cool! Endlich mal was Sinnvolles! Ich musste dann aber feststellen, dass es sich lediglich um ein fiktives Projekt handelt, oder habe ich das falsch verstanden?
    Ich habe dazu noch ein paar Fragen:
    Wieviele Sonnentage gibt es denn in Spitzbergen? Habt ihr überprüft, ob die Solarthermieanlage (ihr habt „handelsübliche“ genommen oder?) auch den tiefen Temperaturen dauerhaft standhält? In unseren Breitenkreisen sind die Temperaturen ja selten so tief und vor allem nicht dauerhaft…. Der Energieaufwand ist ja auch viel größer als hier, da ja das Wasser auf Grund der Minustemperaturen ständig zu gefrieren droht. Eine gute Isolation ist unerlässlich, die aber natürlich die Wärme durchlassen muss. Wie habt ihr dieses Problem gelöst?
    Habt ihr daran gedacht, Hocheffiziente Solarzellen zu nehmen? Was für Solarzellen habt ihr denn genau genommen?
    In der Kalkulation einfach mal von Fördergelder auszugehen finde ich sehr spekulativ und riskant. Fallen die aus irgendeinem Grund doch weg, kippt das ganze Projekt….
    Allem in allem aber muss ich sagen, ist es wirklich eine sehr gute Grundidee!
    B.t.w: Was sagst du in diesem Zusammenhang eigentlich zu Desertec?
    PS: Falls ich irgendwelche Fragen gestellt habe, die schon im Text standen, tut es mir Leid!

  4. 4
    Lukas 

    Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss. Es ist wirklich nur ein reines Planungsprojekt, also ein rein fiktives Projekt, das im Rahmen einer Lehrveranstaltung an der Uni Kassel entstanden ist. Im Prinzip handelt es sich hierbei um eine Vorstudie. So haben wir uns noch nicht ganz konkret auf einzelne Typen z.B. für Speicher oder Kollektoren festgelegt, sondern ersteinmal nur grob ausgelegt, z.B. was für eine Art von Kollektoren, also ob Flach- oder Röhrenkollektoren besser sind. Für die Kollektoren haben wir Vakuumröhrenkollektoren ausgewählt. Hier gibt es auch Modelle, die so niedrige Temperaturen aushalten.
    Du erwähntest die Gefahr des Einfrierens der Solaranlage. Das ist in der Tat ein Problem, aber nicht nur auf Spitzbergen, sondern auch bei uns in Deutschland. Deshalb wird als Solarflüssigkeit eine Mischung von Wasser und Propylengykol (als Frostschutz) verwendet. Und auf Spitzbergen wird dann ein höherer Anteil von Propylenglykol in der Solarflüssigkeit nötig, z.B. 50 bis 60 % statt der in Deutschland üblichen 40 %.
    Was meinst du genau mit Sonnentagen? Tagen an denen die Sonne tatsächlich durch die Wolken scheint? Oder Tage an denen die Sonne über den Horizont kommt?
    Das mit den Fördergeldern war in der Tat eine Annahme, aber uns war es nicht möglich, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit, zu recherchieren, welche Förderbedingungen es für eine deutsche Pilotanlage auf einer norwegischen Insel gibt… Sorry.

  5. 5
    Anonymus 

    Sorry, wollte dich nicht auseinandernehmen! Ich arbeite selbst am Institut für solare Energiesysteme und finde es deshalb höchst interessant, wie so etwas von statten gehen soll. Im Prinzip wäre es ja das Gegenprojekt zu Destertec!
    Mit Sonnentage meinte ich Tage, an denen man sozusagen die Solarthermie „nutzen“ kann.
    Ich fände es voll interessant, das Projekt weiterzuverfolgen!

  6. 6
    Martin 

    Ein interessantes Gedankenbeispiel, das aber auch zeigt, was das Problem der Solarthermie ist : die Zeiten der Energieproduktion und des Wärmebedarfs fallen nicht zusammen. Schon in Deutschland ist die Solarthermie i.d.R. nur zur Brauchwassererwärmung ökonomisch. Anlagen, die Gebäude im Winter komplett beheizen sollen sind im Sommer überdimensioniert. Dies gilt umso mehr für Spitzbergen.

    Wären da nicht die Windenergie die bessere Alternativen zur Solarthermie – mit der Möglichkeit mit dem Strom auch im Winter zu heizen ?

    Grüsse

    Martin

  7. 7
    Lukas 

    Wir haben die Anlage ja extra nicht für den Winter, sondern für den Sommer ausgelegt. In Spitzbergen braucht man auch im Sommer eine Heizung, insofern denke ich, ist es wirklich sinnvoll, auch in solchen Gegenden Solarthermie zur Wärmebereitstellung zu nutzen. Davon, dass die Anlage auch im Winter laufen soll, wurde hier nichts gesagt.

  8. 8
    Christian 

    Auf jeden Fall eine spannende Studie. Muss mich ansonsten Anonymus allerdings anschließen, dass ich mir etwas mehr erhofft hatte.
    Auf dem Blatt klingt das noch alles ganz vernünftig. Da die konkreten Annahmen allerdings nicht als gesichert gelten, ist es letztlich doch fraglich, ob die Solarthermieanlage sich tatsächlich unter 25 Jahren amortisieren würde. Denn sollte eine der Annahmen etwas nach unten abweichen (z.B. die Globalstrahlung oder die Förderung von 20.000), dürfte das auf die komplette Amortisationszeit große Auswirkungen haben.

    Dennoch ist es ein spannendes Beispiel. Ich denke sobald die Solarthermie in den nächsten Jahren noch etwas in den Preisen nach unten geht, dürfte entsprechenden Anlagen auch in der Arktis nichts mehr entgegenstehen.

    Viel Erfolg weiterhin.

  9. 9
    Radon 

    Finde das ist eine klasse Idee kann mir nur nicht vorstellen, ob es wirklich umsetzbar ist.

  10. 10
    Silber Schlange 

    Ehrlich gesagt bezweifele ich etwas, dass wir es hier mit einem Effizienten Projekt zu tun haben. Warum fokussiert man sich nicht erstmal darauf das ganze Thema in Spanien auf irgend einer Hochebene voran zu bringen?
    Würde das nicht einen größeren Nutzen für die Forschung haben? Wenn wir es dort effizient schaffen, dann würde ich mich weiter nach Norden arbeiten.

  11. 11
    Lukas 

    Was verstehst du unter einem „effizienten Projekt“ und warum ist das hier vorgestellte Projekt deiner Meinung nach nicht effizient? Solarthermieanlagen sind vor allem dort effizient (d.h. mit hohem Wirkungs- und Nutzungsgrad) zu betreiben, wo auch ein großer Wärmebedarf besteht. Der Wärmebedarf eines Hauses ist auf Spitzbergen zweifelsohne höher als der Wärmebedarf eines Hauses in Spanien.

  12. 12
    Vanessa Pellet 

    Wirklich klasse, ein tolles Projekt, schade, dass die Ergebnisse nicht so sind wie man sie sich erhofft hätte. Ich denke das kann man noch weiter ausfeilen. Das Medium wird hier wohl eine entscheidende Rolle spielen.

  13. 13
    Lukas 

    Es war kein reales Projekt, sondern eine Übungsaufgabe. Aber war dennoch sehr interessant und lehrreich.

  14. 14
    Anonymous 

    Wie war das? Würde man in der Sahara eine Fläche so groß wie Deutschland mit Solarzellen bedecken, könnte man die ganze Welt mit Strom versorgen?
    Finde die Idee wirklich klasse!

    LG,
    Anni

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