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Interview mit Nicole Maisch

Am Vormittag des BDK-Sonntags hatten wir die Gelegenheit, Nicole Maisch [1] zu ihren Erfahrungen als junge grüne Abgeordnete im deutschen Bundestag zu interviewen.

Da wir leider keine tausende von Euros teure Ausrüstung hatten, sondern ledigleich eine Digicam ohne externes Mikrofon, störten vorbeifahrende Züge manchmal die Verständlichkeit. Daher habe ich mir die Mühe gemacht, das Interview auch noch niederzuschreiben.

Grüner Nomade: Bei uns ist Nicole Maisch, grüne Abgeordnete, eine der jüngsten Abgeordneten im deutschen Bundestag. Guten Morgen.

Nicole Maisch: Hallo.

GN: Du bist im Februar 2006 für Matthias Berninger als Abgeordnete nachgerückt. Wie hast du damals davon erfahren? Das war ja wahrscheinlich ganz schön kurzfristig.

NM: Also Matthias hatte es mir ein paar Wochen vorher schon angedeutet, so „Nicole, bereite dich auf eine Veränderung in deinem Leben vor“, und, ja, dass es dann so schnell gehen würde, also schon im Februar, das hätte ich nicht gedacht und musste mich erstmal setzen und durchschnaufen. Ich war ein bisschen von Matthias vorbereitet worden, aber ich war nicht vorbereitet auf das, was da kommen würde.

GN: Das heißt, du hast hast Hals über Kopf das Studium erstmal stehen lassen?

NM: Studium war ich fertig, also das war gut. Ich hab für eine andere Politikerin gearbeitet, für Sigrid Erfurth, die kommt aus Nordhessen, ist dort Landtagsabgeordnete, hab an der Uni ein bisschen gearbeitet. Ja, dann habe ich meine Jobs kurzfristig abgewickelt, ich wollte Sigrid, meine Lieblingschefin, auch nicht einfach so sitzen lassen. Und dann habe ich mir eine WG in Berlin gesucht, und angefangen mit Leuten zu telefonieren welches Arbeitsgebiet ich denn jetzt übernehmen könnte. Und dann bin ich direkt in die Arbeit eingestiegen.

GN: Von Matthias Berninger hast du das Thema Verbraucherschutz bekommen. War das dein Wunschthema oder hättest du lieber etwas anderes gemacht?

NM: Also, das war ein bisschen komplizierter: Matthias hat ja damals nicht Verbraucherpolitik sondern Wirtschaftspolitik gemacht, früher war er Staatssekretär im Verbraucherbereich, aber nachher wirtschaftspolitischer Sprecher. Das habe ich nicht gemacht, sondern ich habe angefangen im Tourismus-Ausschuss, das ist einer der kleinsten Ausschüsse. Und dann hat sich in der Fraktion aber noch ein bisschen was verändert, durch die Regierungsbeteiligung sind Leute raus, neue rein. Und dann ist es mir gelungen in den Agrar- und Verbraucherausschuss reinzukommen und da hab ich das Thema Verbraucherpolitik bekommen. Also ich habe angefangen mit Tourismuspolitik. Und Verbraucher war mein Wunschthema, ich wollte unbedingt was im Öko-Bereich machen und das hat ja viel damit zu tun: Klimafreundlicher Konsum. Deshalb war ich dann ziemlich froh. Und ich mache das Thema Wasser. Ich bin im Umweltausschuss auch, das heißt ich bin sehr zufrieden mit dem was ich bekommen habe.

GN: Bei Parteijugendorganisationen ist es ja oftmals so, dass sie sich verbünden, zum Beispiel Grüne Jugend und Jusos um gemeinsam gegen die Mutterparteien etwas auszurichten. Gibt es Vergleichbares im Bundestag, dass sich junge Abgeordnete aus unterschiedlichen Fraktionen zusammenschließen, um eben gegen die Fraktionsspitzen etwas durchzuboxen?

NM: Es gibt schon sehr viele Zusammenschlüsse von jungen Abgeordneten, man trifft sich auch gelegentlich mit zum Beispiel den Jungen von der Union oder der SPD. Aber wir sind erstmal Grüne. Es gibt thematische Zusammenschlüsse: Kollegin Anna Lührmann und Kai Gehring haben zum Beispiel was zum Thema Generationengerechtigkeit schon vor langer Zeit angefangen auch mit anderen. Das ist zum Beispiel so ein Projekt, dass sie auch gegen den Widerstand der Älteren durchfighten müssen. Aber normalerweise sind wir erstmal Grüne und dann gucken wir uns an, was wir mit den anderen zusammen machen können.

GN: Du bist ja noch relativ jung, 28. Andere  Leute machen in dem Alter ein Praktikum im Bundestag. Wurdest du schon mal als Praktikantin gehalten?

NM: Ja, sehr oft, sehr oft. In meiner ersten Woche im Plenum wurde ich so von den total netten Saaldienern so dann bei Seite genommen, so „Wo wollen Sie denn hin? Was machen Sie denn hier? Praktikantinnen sitzen hier ja eigentlich nicht.“ Und am Wochenende passiert es mir ganz oft, dass ich an der Pforte – normalerweise erkennen sie mich, wenn ich meine normale Politikerkleidung trage –  aber in meiner normalen Alltagskleidung geht’s mir dann auch manchmal so, dass ich auch immer abgefangen werde und gefragt werde, wer ich so bin. Ja, kommt vor, aber es wird immer weniger. Ich werde ja auch immer älter.

GN: Was war für dich die bisher schwerste Abstimmung im Bundestag?

NM: Afghanistan, hundertprozentig. Ich hab zweimal die Mandatsverlängerung jetzt mitgemacht, ich habe auch immer mit „Ja“ gestimmt. Und vor der letzten Abstimmung, genau ein Tag davor, hat unsere Zeitung in Hessen, die Frankfurter Rundschau, die Passbilder von allen toten deutschen Soldaten auf der Titelseite gehabt mit der Überschrift „War es das Wert?“. Da habe ich nicht geschlafen in dieser Nacht. Ja, das war die schwierigste Abstimmung. Klar, es gibt auch sonst Themen, wo man Schwierigkeiten hat, sich zu entscheiden, was ist jetzt fachlich richtige oder falsch oder so. Aber das ist die schwierigste Entscheidung gewesen.

GN: Was war für dich der größte Erfolg, wo du wirklich ganz aktiv dahinter gestanden bist?

NM: Also, ich habe ein paar Erfolge beim mir im Wahlkreis, wo ich gemerkt habe, jetzt wo ich Bundestagsabgeordnete bin interessiert sich die Presse mehr für das, was ich zu sagen habe. Ich habe mehr Mitarbeiter, ich kann mehr erreichen. Was war bei uns zu Hause? Wir haben mehr Flächen für Windkraft erkämpft. Erneuerbare Energien, das ist ist so mein Ding. Da war ich ziemlich stolz drauf. Und im Bundestag ist es eher so: man gewinnt ja nie eine Abstimmung. Aber was man schon machen kann, ist die Bundesregierung so zu quälen durch immer wieder Anfragen und Pressemitteilungen, dass sie bestimmte Themen auf die Tagesordnung setzt. Bei mir war das Telefonwerbung, Gift in Spielzeugen, Fahrgastrechte, da haben wir einfach immer weiter nachgebohrt. Manchmal erfolgreich, manchmal weniger. Also man merkt schon, aus der Opposition heraus wirklich was zu gestalten ist verdammt schwer. Da kann man eigentlich nur nerven und Kampagne machen und bestimmte Themen setzen. Aber wirklich Regierungshandeln ist was anderes. Klar, deshalb wollen wir auch regieren.

GN: Eine Frage zum Schluss: Wenn ein junger Mensch auf dich zukommt, weil er gerne in die Politik möchte, egal zu welcher Partei jetzt, was würdest du ihm auf den Weg mitgeben.

NM: Wenn man Politik nur macht, um seinen Hintern ins Parlament zu bringen oder sein Gesicht in irgendeine Zeitung, dann wird man unglücklich und ein schlechter Politiker. Man muss mit dem Bauch dabei sein und das gern machen. Und man muss ein Ziel haben. Ein politisches Ziel und das darf nicht sein „Ich will Karriere machen“. Karriere ist schön, aber wenn man nicht mit dem Herzen dabei ist und nicht für bestimmte Inhalte steht, bei mir ist es Umweltschutz, dann wird man das schlecht machen und auch nicht glücklich damit.

GN: Gut, vielen Dank.

NM: Gern geschehen.