Freitag, 31. Mai 2013 | Autor: | Artikel ausdrucken

Am Mittwoch veröffentlichte Eurostat, also die europäische Statistikbehörde, eine Schätzung für die CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger (also Kohle, Erdöl, Erdgas etc.) für das Jahr 2012. ((Eurostat: Frühzeitige Schätzungen der CO2 Emissionen aus energetischer Nutzung. Im Jahr 2012 sind die CO2 Emissionen in der EU27 gegenüber 2011 schätzungsweise um 2,1% zurückgegangen. Pressemitteilung 80/2013, 29. Mai 2013.)) Die Höhe der CO2-Emissionen wurden aus Veränderungen der Verbräuche an fossilen Energieträgern im Jahr 2012 gegenüber dem Jahr 2011 und den bereits bekannten Emissionsdaten aus den Treibhausgasinventaren der Mitgliedsstaaten für das Jahr 2011 abgeleitet. ((Zur Methodik der Emissionsschätzung siehe Eurostat: Method used to produce early CO2 emission estimates. Ohne Jahr.)) Gegenüber dem Jahr 2011 sind nach dieser Schätzung die Emissionen EU-weit um 2,1 % gesunken. Die Veröffentlichung enthält nicht nur Emissionsschätzungen für die Europäischen Union als ganzes, sondern auch einzelne Schätzungen für alle 27 Mitgliedstaaten der EU. Die Spanne der Veränderungen der CO2-Emission reicht dabei von einer Steigerung um 6,3 % in Malta bis hin zu einer Senkung um 11,8 % in Belgien und Finnland (Abbildung 1). Im größten Teil der EU, nämlich in 23 Staaten, sind die Emissionen gesunken, in lediglich vier sind sie Staaten gestiegen. Unter letzteren ist auch Deutschland.

Abbildung 1: Veränderung der CO2-Emissionen aus energetischer Nutzung. Relative Veränderung Jahr 2012 gegenüber 2011.

Abbildung 1: Veränderung der CO2-Emissionen aus energetischer Nutzung. Relative Veränderung Jahr 2012 gegenüber 2011.

Aufschlussreich ist meinen Augen, sich nicht nur die relativen Veränderungen anzuschauen, sondern auch die absoluten Veränderungen (Abbildung 2). Dann zeigt sich, dass 16 Staaten eine deutliche absolute Emissionsreduktion erzielt haben, ((Deutliche Veränderungen hier interpretiert als Rückgang um mehr als 1 Mio. t CO2.)) sieben Staaten ihre Emissionen absolut gesehen kaum verändert haben ((Veränderung um weniger als +/- 1 Mio. t CO2.)) und lediglich in zwei Staaten, nämlich das Vereinigte Königreich und eben Deutschland sind die absoluten Emissionen deutlich gestiegen.

Abbildung 2: Veränderung der CO2-Emissionen aus energetischer Nutzung. Absolute Veränderung Jahr 2012 gegenüber 2011 in Mio. Tonnen CO2.

Abbildung 2: Veränderung der CO2-Emissionen aus energetischer Nutzung. Absolute Veränderung Jahr 2012 gegenüber 2011 in Mio. Tonnen CO2.

Oft wird argumentiert, dass die Wirtschaft in der EU schwächele und daher das Sinken der CO2-Emissionen in den meisten EU-Mitgliedsstaaten darauf zurückzuführen sein. Schaut man sich hier aber mal genauer an, in wie vielen EU-Ländern die Wirtschaft wächst, aber die CO2-Emissionen dennoch sinken, so ist dieses pauschale Urteil nicht mehr komplett richtig (Abbildung 3). Zwar haben alle vier Staaten, in denen die CO2-Emissionen gestiegen sind (Deutschland, Vereinigtes Königkreich, Malta und Litauen) ein positives Wirtschaftswachstum, aber daneben weisen weitere zehn Staaten ein positives Wirtschaftswachstum auf, aber die CO2-Emissionen sind dort trotzdem gesunken. ((Datenquelle für das Bruttoinlandsprodukt ist Eurostat: BIP und Hauptkomponenten – Volumen [nama_gdp_k], letzte Aktualisierung am 29. Mai 2013.)) Für die meisten Länder, die von der Eurokrise besonders betroffen sind (z.B. Italien, Griechenland und Spanien) gilt allerdings, dass sowohl das Bruttoinlandsprodukt (als Maß für die Wirtschaftskraft) als auch CO2-Emissionen zurückgegangen sind.

Abbildung 3: Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Veränderungen der CO2-Emissionen. Jahr 2012 gegenüber 2011.

Abbildung 3: Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Veränderungen der CO2-Emissionen. Jahr 2012 gegenüber 2011.
Kürzel: EU-27 alle 27 EU-Mitgliedstaaten zusammen, AT Österreich, BE Belgien, BU Bulgarien, CZ Tschechische Republik, DK Dänemark, DE Deutschland, CY Zypern, EE Estland, EL Griechenland, ES Spanien, FI Finnland, FR Frankreich, HU Ungarn, IE Irland, IT Italien, LV Lettland, LT Litauen, LU Luxemburg, MT Malta, NL Niederlande, PL Polen, PT Portugal, RO Rumänien, SE Schweden, SI Slowenien, SK Slowakei, UK Vereinigtes Königreich.

Die Eurostat-Zahlen für Deutschland passen sehr gut zu einer Veröffentlichung des Umweltbundesamts (UBA): Dieses hatte bereits im Februar eine Steigerung der energiebedingten CO2-Emissionen um 16,7 Mio. t CO2 bzw. um 2,2 % abgeschätzt. ((Umweltbundesamt: Treibhausgasausstoß in Deutschland 2012 – vorläufige Zahlen aufgrund erster Berechnungen und Schätzungen des Umweltbundesamtes. Februar 2013.)) Wie der UBA-Präsident Jochen Flasbarth in einem Pressestatement erwähnt hat, liegt der Steigerung der CO2-Emissionen zu einem nicht unerheblichen Teil an der verstärkten Stromerzeugung aus Kohle, die laut AG Energiebilanzen um 5,5 % von 262,5 TWh auf 277 TWh gestiegen ist. ((AG Energiebilanzen e.V.: Bruttostromerzeugung in Deutschland von 1990 bis 2012 nach Energieträgern. Stand 14. Februar 2013.)) Dies führt laut einer zweiten Studie des Umweltbundesamts dazu, dass die spezifischen Treibhausgasemissionen der Stromerzeugung entgegen dem langjährigen Trend angestiegen sind. ((Petra Icha: Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 bis 2012. Climate Change 07/2013, Mai 2013. Grafikanhang.))

Wie auch in Deutschland, ist im Vereinigten Königreich vor allem der Brennstoffwechsel von Erdgas zu Kohle bei der Stromerzeugung für das deutliche Ansteigen der CO2-Emissionen verantwortlich. Dies bestätigt auch die nationale Treibhausgasemissionsschätzung des Vereinigten Königreichs. ((Department of Energy & Climate Change: 2012 UK Greenhouse Gas Emissions, Provisional Figures And 2011 UK Greenhouse Gas Emissions, Final Figures By Fuel Types And End-User. Statistische Mitteilung, 28. März 2013.)) Hierzu haben gibt es bei der BBC und beim Independent interessante Artikel. Die verstärkte Kohleverstromung in beiden Ländern ist zum einen auf gesunkene Kohlepreise zurückzuführen, zum anderen aber auch darauf, dass der Emissionshandel derzeit in der Krise steckt und daher momentan keine Anreize für eine CO2-arme Stromerzeugung setzen kann. Diese Anreizfunktion könnte beispielsweise durch eine Verstärkung des Treibhausgasreduktionsziels wieder hergestellt werden.

Warum blogge ich das? Weil ich auf die Veröffentlichung der Eurostat-Zahlen gewartet hatte. Und weil Diagramme oft spannender als die nackten Zahlen sind, ich es aber schade finde, dass in der Pressemitteilung von Eurostat nur Zahlen aber keine Diagramme auftauchen. Und weil es sich mal wieder zeigt, dass andere Länder in Europa – hier das Vereinigte Königreich – oft mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind.

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3 Kommentare

  1. Tjaja, von wegen Klima-Vorreiter! Aber das ist bei Merkel ja usual business – schöne Überschriften, aber nichts dahinter.

  2. 2
    Georg 

    Abgesehen von der Tatsache, dass Deutschlands CO2-Emissionen gestiegen sind, ist es erfreulich, dass die Emissionen in der EU deutlich gesunken sind. Die Industrie umweltfreundlicher zu machen ist eine seit einigen Jahren ein großes Thema und die Auswirkung sind zu beobachten. Früher oder später wird auch Deutschland seinen CO2-Ausstoß automatisch verringern. :)

  3. 3
    Lukas 

    Es darf dabei auch nicht vergessen werden, dass das Stromexportsaldo sich von 6,3 TWh im Jahr 2011 auf 23,1 TWh fast vervierfacht hat. Das heißt, dass die Stromerzeugung in Deutschland Emissionen in anderen Ländern gemindert hat. Blöd nur, dass deutsche Kohlekraftwerke damit teilweise die Stromerzeugung in Gaskraftwerken (die wesentlich weniger Emissionen pro kWh erzeugen) verdrängen.

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