Montag, 06. Dezember 2010 | Autor: | Artikel ausdrucken

Auf YouTube bin ich über die einige Videos von der Last Night of the Proms, also dem jährlichen Abschlusskonzert einer jährlichen Konzertreihe in der Royal Albert Hall, gestolpert. Am Ende des jeweiligen Last Night of the Proms werden die Lieder Land of Hope and Glory und Rule, Britannia! gespielt. Da es die inoffiziellen Nationalhymnen von Großbritannien sind, singt dabei das Publikum laustark mit, wie in den Videos zu sehen und vor allem zu hören ist.

Seit dem ich die Videos gesehen habe, gehen mir mehrere Gedanken durch den Kopf: Zum einen empfinde ich eine merkwürdige Faszination zu dem ganzen. Ich mag Musik, gespielt von großen Orchestern und gesungen von großen Chören. Dass bei den Liedern wohl nicht nur Britinnen und Briten singen, sondern auch Menschen anderer Nationen dabei sind (wie die vielen unterschiedlichen Flaggen vermuten lassen) find ich eigentlich schön. Aber insgesamt finde ich das ganze aber gleichzeitig auch irgendwie abstoßend. Aber was das genau ist kann ich irgendwie nicht beschreiben. Liegt es vielleicht an den Liedtexten? Oder daran, dass tausende Menschen unisono singen?

Und dann stellt sich mir die Frage, warum wir in Deutschland eigentlich keine inoffizielle Nationalhymne haben. Nicht dass ich eine solche vermisse, ganz bestimmt nicht. Aber wenn ich so darüber nachdenke, würde es mir doch logisch erscheinen, wenn wir eine inoffizielle Nationalhymne hätten. Den „offizieller“ Patriotismus ist ja so eine Sache, vorallem wenn man sich unsere Geschichte anschaut. Aber irgendwie würde ich halt vermuten, dass sich gerade diese Tatsache der Nährboden für eine inoffizielle statt einer offiziellen Nationalhymne wäre.

Was denkt ihr darüber? ((Um es nochmal klarzustellen. Ich brauche wirklich keine Nationalhymne, weder offiziell, noch inoffiziell. Aber mich interessiert gerade das Phänomen an sich.))

Kategorie: Gedanken
Mit diesem RSS 2.0 Feed können Sie alle Kommentare zu diesem Artikel verfolgen. Sie können einen Kommentar abgeben oder Trackback von Ihrer Webseite versenden.


2 Kommentare

  1. 1
    Thorsten Gohde 

    Inoffizielle Nationalhymnen haben wir ja eigendlich.
    Wenn man in die Fußballstadien geht hört man in jeder Stadt eine (regional eingeschränkte Hymne). Eine für ganz Deutschland fällt mir auf die schnelle auch nicht ein, wäre aber eine super Sache. Ich werde mir Gedanken darüber machen.

    Liebe Grüße Thorsten

  2. 2
    Fabian Mayer 

    Ich kann dich voll und ganz verstehen.
    Ich weiß mir auch nicht anders helfen, als es auf die unrühmliche Vergangenheit Deutschlands zu schieben. Da mir dieselben Gedanken durch den Kopf gingen und mich interessierte, was es überhaupt in Deutschland so für „schmissiges“, Nationalhymnen-taugliches Liedergut gibt, hab ich einfach ein bisschen gegoogelt und mich belesen.

    Wichtig ist wohl, anzumerken, dass Deutschland immer wieder, eben durch die geschichtlichen Umstände, seinen Traditionen entsagen musste. Im deutschen Kaiserreich ab 1871 galten sowohl das auf der Melodie von „God Save the Queen“ basierende „Heil dir im Siegerkranz“, inoffiziell aber auch „Die Wacht am Rhein“ als Kaiserhymne, da es Nationalhymnen an sich noch gar nicht gab. Jedoch wurden beide nach dem Ende des Ersten Weltkriegs von den Siegermächten verboten.
    Ab 1918, während der Weimarer Republik war das noch heute bekannte „Lied der Deutschen“ von Hoffmann von Fallersleben die erste offizielle Nationalhymne des Deutschen Reichs und blieb es bis Ende des Dritten Reichs, wenngleich zwischen 1933-45 nur noch die erste Strophe gesungen wurde, und ab 1940 obligatorisch die inoffzielle Nationalhymne und Lied der Nationalsozialisten, das „Horst-Wessel-Lied“ gesungen wurde. Der zweite Bruch erfolgte nach dem zweiten Weltkrieg, als abermals jegliches patriotische Liedergut von den Besatzungsmächten verboten wurde. Im Laufe der Nachkriegsjahre wurden dann sowohl bereits „Ode an die Freude“, die heutige Europahymne, verwendet, als auch (aus der Not, eine offizielle Hymne zu benötigen) die Schlager „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“, oder „Heidewitzka, Herr Kapitän“, von Karl Berbuer. Ab 1952 wurde in Westdeutschland aber wieder das Deutschlandlied gesungen (nur die dritte Strophe) und in der DDR ab 1949 „Auferstanden aus Ruinen“. Nach der Wiedervereinigung wurde 1991 die dritte Strophe des Deutschlandliedes als offizielle Nationalhymne festgelegt und das ist sie bis heute.

    Musikalisch gefällt mir von all denen „Die Wacht am Rhein“ am besten, ist aber kaum bekannt außer in den üblichen braunen Kreisen und mir selbst auch erst seit „Iron Sky“ ein Begriff. (https://www.youtube.com/watch?v=qL0T9wf6AnU)

    Ich finde es dahingehend absolut verständlich, dass „wir Deutschen“ so traumatisiert sind, was unser Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gruppenkategorie eines „Volkes“ angeht, und dass sich das natürlich auch in der verstockten und beschämten Art und Weise ausdrückt, wie die Nationalhymne gesungen wird, gespielt wird und wie man schon darüber denkt. Ich sags ganz ehrlich, das ist eine Scheißangst, dass man für einen Nazi gehalten wird. So ist es doch, oder? Das schreit natürlich nach einer derart lustvoll gespielten und gesungenen inoffiziellen Hymne, wie eben „Rule, Britannia“. Aber das ist gar nicht möglich, bei diesem typisch deutschen Schamgefühl, dieser Angst, mal ganz dumm und stumpf patriotisch rumzugrölen.
    Ich bin auch gezwungen, jetzt zu schreiben, dass ich das selber nicht wirklich gut finden kann und mir beim Anblick der „Last Night of the Proms“ auch der Skeptiker im Nacken sitzt und doch – wie du, finde auch ich es irgendwo faszinierend. Faszinierend genug, dass mich interessiert, wieso es das bei unseren britischen Nachbarn gibt und nicht bei uns.

    Falls du dich selber belesen magst, das sind meine Quellen:

    http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Deutschlandlied.html
    http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Nationalhymne
    http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_historischer_Nationalhymnen

    PS: https://www.youtube.com/watch?v=voeo0Oiox-c
    Du siehst, so offiziell ist „Rule, Britannia“ mittlerweile schon, dass die Royal Navy sie singt.

Kommentieren
Bitte die Kommentarregeln beachten! Ein Abgeben eines Kommentars bedeutet die Akzeptanz dieser Kommentarregeln.


 



WordPress › Fehler

Es gab einen kritischen Fehler auf deiner Website.

Erfahre mehr über die Problembehandlung in WordPress.