Samstag, 06. Februar 2010 | Autor: | Artikel ausdrucken

Mit einem Interview im General-Anzeiger hat unser Bundesumweltminister Norbert Röttgen mal wieder die Diskussion um den Atomausstieg angeheizt. Konkret sagte er:

Die Kernenergie [hat] eine Brückenfunktion. Sie geht sukzessive in dem Maße zurück, in dem die erneuerbare Energie aufgebaut wird. […]

Die Laufzeit von Kernkraftwerken ist am Ende das Ergebnis des Aufbaus von erneuerbaren Energien. Wir haben derzeit einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 16 Prozent, bei der Kernkraft sind es 23 Prozent. Wir wollen in den nächsten zehn Jahren den Anteil der erneuerbaren Energien auf mindestens 30 Prozent fast verdoppeln. In dem Augenblick, in dem wir 40 Prozent Anteil der erneuerbaren Energie an der Stromproduktion in Deutschland haben, gibt es keine Notwendigkeit mehr für Kernenergie.

Damit zitiert er das Ausbauziel der Bundesregierung von 30 Prozent regenerativ erzeugtem Strom bis zum Jahr 2020. Das Ausbauziel weitergedacht, so kann ein Anteil von 40 Prozent wenige Jahre nach 2020 erreicht werden. ((Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) geht für 2020 bereits von einem Anteil von 47 Prozent erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung aus.))

Bleibt es bei den aktuell noch vorhandenen Reststrommengen der verschiedenen Kernkraftwerke, so würden (nach Berechnungen von contrAtom) die letzten beiden Kernkraftwerke ((Brokdorf und Neckarwestheim 2)) etwa im Jahr 2022 abgeschaltet werden. Nach Röttgens Logik wäre – wenn überhaupt – nur eine sehr geringe Laufzeitverlängerung nötig. Daher prügeln jetzt alle möglichen CDU- und FDP-Politiker auf Röttgen ein, wie unter anderem bei Welt Online und Financial Times Deutschland zu lesen ist.

Hat Röttgen diese Aussage gemacht, um Wegbereiter für eine schwarz-grüne Koalition in seinem Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen zu werden, wie der Stern vermutet?

Sollte die FDP bei der Landtagswahl im Mai im Strudel der Hotelspenden-Kopfpauschalen-Klientelismus-Diskussion versinken, wird „Arbeiterführer“ Jürgen Rüttgers, CDU, den Grünen ein Angebot machen, zu dem sie schwer nein sagen können. Dafür allerdings braucht es im Vorfeld eine große Tube verbaler Schmiermittel. Röttgen hat sie gerade in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ ausgedrückt.

Oder will Röttgen am Ende gar wirklich den Atomausstieg retten bzw. eine möglichst kurze Laufzeitverlängerung heraushandeln? Aber warum hat die Koalition ihn dann zum Umweltminister gemacht?

Offen gesagt, ich weiß es nicht einzuschätzen. Was meint ihr? Was für ein Spiel treibt Röttgen mit dem Atomausstieg?

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5 Kommentare

  1. 1
    Petra 

    oder will er einfach nur den Atomgegnern den Wind aus den Segeln nehmen, indem er ihre Position einnimmt und damit deren Kritik „überflüssig“ macht?

  2. 2
    Henning 

    Schwer zu sagen, was wirklich dahinter steckt. Ich glaub, dafür ist er noch zu kurz im Amt. Ich hab jedenfalls auch schon ganz andere Sachen von ihm gehört.

    Ich fürchte ja, der Verweis auf die Erneuerbaren Energien soll mehr eine Ablenkung sein.

  3. 3
    Michael E. 

    Im Prinzip spielt er doch das Spiel der großen Konzerne – er nimmt den Atomkraftgegnern etwas den Wind aus den Segeln, verkündet aber gleichzeitig weiter die Legende von der „Brückentechnologie“, die nur dazu dient, den Konzernen etwas Zeit zu geben, ihren Rückstand bei den Erneuerbaren etwas aufzuholen und zugleich ihre oligopolistische Marktposition zu sichern.

  4. Ich stimme Michael voll und ganz zu.

    Bin gespannt, was da in den kommenden Wochen noch so alles kommt…

  5. eigentlich sagt die Bekenntnis zu der Brückentechnologie ja schon alles – wie lange soll die Brücke denn werden. Oder aus Lobby-Sicht = Wie lang hättet ihr die Brücke denn gerne ?

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