Mittwoch, 29. April 2009 | Autor: | Artikel ausdrucken

Bereites wegen der letzten beiden Bundesdelegiertenkonferenzen (BDK) der Grünen in Erfurt Dortmund gab es in der Presse und insbesondere im Web 2.0 eine heftige Debatte um die Unabhängigkeit von Blogs. Die Grünen hatten auf den beiden BDKs jeweils fünf Blogger*innen die Anreise und Übernachtung bezahlt, damit diese über die Parteitage berichten.

So hatte David Schraven die Blogger-Tickets mehrfach und heftig im Blog ruhrbarone kritisiert. Vor der BDK in Erfurt (14. bis 16.11.2008) schrieb er:

Und zwar hat die Grüne Partei für ihren Bundesparteitag fünf Blogger eingeshoppt. […] Dafür sollen die Blogger als Gegenleistung auf ihrer eigenen Seite und auf der Seite der Bundesgrünen über den Parteitag berichten.

Die Grünen wollten für diese Propagandaaufgabe nicht irgendwelche Blogger. Sie wollten gute Blogger. Blogger, die was drauf haben, die relevant sind. Die Grünen wollten keine Spinner.

Deswegen sollten sich die Blogger um die Anfahrtskosten, die Übernachtungskosten, den Internetzugang, den Zugang zum Pressezentrum, die Eröffnungspressekonferenz, die Hintergrundgespräche und die INHALTLICHE BETREUUNG durch Malte Spitz bewerben. […]

Die Grünen wollen ihre Mantra in der Blogger-Welt viral einspritzen. Diskussionen anregen und dazu noch die Blogger auf die eigene Seite lotsen, damit sie ihr Publikum auch dorthin mitbringen. So wird Parteiwerbung maximal im Netz gestreut. Und gleichzeitig die Grüne Partei als fortschrittlich, internetaffin, modern gelabelt.

Das ist in meinen Augen der Versuch der Grünen Schleichwerbung zu platzieren. Und für was? Für ein Bett, ein Butterbrot und ne Fahrt 2. Klasse.

(Quelle: Die Grüne Partei will Blogger kaufen, 06.11.2008)

Und dann weiter vor der BDK in Dortmund (23. bis 25.01.2009) schrieb er:

Es ist einfach, den geschmierten Weg zu gehen. Der gerade Weg ist unbequem – und kostet dann auch noch Geld. Dafür aber erhält man die echte Unabhängigkeit.

Ich will mal einen hinkenden Vergleich heranziehen. Die Oberbürgermeister und Gemeinderäte, die sich als Aufsichtsräte der Energieversorger-Töchter zu Lustreisen haben einladen lassen, fanden das auch nicht schlimm. Sie hatten Spaß in Italien und sonstwo. Es war einfach. Außerdem haben alle das gemacht.

(Quelle: Grüne shoppen Blogger ein – die dritte, 19.01.2009)

Daraufhin sind auch die etablierten Medien angesprungen. Im WDR lief nach der BDK ein Bericht, in dem viel von David Schraven zitiert wurde, Außerdem wurde in Abrede gestellt, dass Blog überhaupt etwas mit Journalismus zu tun hätte:

Kann man Unabhängigkeit in Blogs wirklich erreichen? Schließlich sind sie so etwas wie private Tagebücher, kein Journalismus.

(Quelle: Blogging – Gesponserte Blogger berichten vom Parteitag der Grünen, 25.01.2009)

Eine gute Reaktion zu den Vorwürfen von David Schraven und vom WDR schrieb Marcel Emmerich ((er war einer der fünf Blogger bei der BDK in Dortmund)) in seinem Blog der tagesschauM:

Man spürt förmlich, wie die Redakteurin am liebsten fünf Ausrufezeichen ans Satzende geknallt hätte und suggeriert, dass Journalisten unabhängig seien, womit wir bei dem alten Blogger vs. Journalisten-Kampf angelangt sind. […]
Ein Journalist, der hinter sich Redaktionen, Herausgeber, Intendanten, Geschäftsführer, Verleger, Verlage, Chefredakteure, etc. hat kann nicht unabhängig sein, lieber WDR! Das ist vollkommen unmöglich. Öffentlich-rechtliche Anstalten sind abhängig von den jeweiligen Landesregierungen, anders ist der Stock, der dem SWR im Hintern steckt auch nicht erklärbar.

(Quelle: WDR über Blogger, 26.01.2009)

Auch Henning Schürig, ebenfalls Blogger und Mitglied der Grünen, mischte sich in die Debatte ein:

Es geht aber nicht darum, Blogger zu kaufen, sondern durch die Erstattung der Übernachtungs- und Reisekosten ihnen eine Teilnahme überhaupt erst zu ermöglichen. Jeder andere, der Interesse hat, kann gerne auf eigene Kosten ebenfalls kommen und berichten. […]

Manche fordern von den fünf Bloggern eine objektive Berichterstattung. Finde ich seltsam. Ich erwarte von Bloggern eine subjektive Berichterstattung. Jens zum Beispiel ist ja SPD-Mitglied (was er wohl auch nach der BDK bleiben wird). Er wird manches gut und manches schlecht finden bei uns. Objektiv ist das aber keinesfalls. Seine Leserinnen und Leser wissen das aber einzuordnen, weil sie ihn ja kennen. Letztlich ist das schon fast eine Grundsatzdebatte über Blogs.

(Quelle: Bloggen über Grüne – oder: BDK08, 09.11.2008)

Dass es im grünen Sinne ist, wenn über unsere Parteitage gebloggt wird, ist ja selbstverständlich und braucht nicht extra erwähnt werden. Aber inhaltlich sind sie völlig frei. Es wurden auch schon Mitglieder anderer Parteien auf diesem Wege auf die BDK geholt. Und die Einträge enthielten immer auch Kritik.

(Quelle: BDK-Bloggen: SPON und die Wahrheit, 08.04.2009)

Weiter warf der WDR den Bloggern vor, dass es vorallem um finanzielle Interessen ginge:

Inzwischen geht’s beim Bloggen auch um’s Geld: Internetagenturen vermitteln Blogger an Unternehmen. Diese zahlen Geld, damit die Blogger Informationen über bestimmte Produkte im Netz verbreiten […]

Blogs als reine PR. Was Unternehmen machen, darf das auch die Politik? Und wie können Leser wissen, ob ein Blogger Geld oder andere Leistungen bekommen hat oder nicht?

(Quelle: Blogging – Gesponserte Blogger berichten vom Parteitag der Grünen, 25.01.2009)

Hier erwiderte Marcel:

Ich schreibe es gerne noch einmal, dass ich 17 Jahre alt bin und lediglich ein monatliches Taschengeld beziehe. Mit meinen finanziellen Möglichkeiten bin ich also nicht in der Lage eine Fahrt von 200 Euro und für den Aufenthalt zu bezahlen. Zu sagen, dass ich es dann bleiben lassen sollte, halte ich für ungerecht. Wer so argumentiert, möchte auch Stipendien an gute Schulabsolventen verbieten, Sozialhilfen absetzen und die GEZ aufheben, denn ohne die wäre der ganze Beitrag gar nicht möglich gewesen. Wer also von Unabhängigkeit berichtet, sollte selbige auch in den eigenen vier Wänden betreiben.

(Quelle: WDR über Blogger, 26.01.2009)

Warum schreibe ich das alles: Mit Paula Schramm mit ihrem Blog Loveletters und ich haben uns als gemischtes Doppel auf die Blogger-Tickets für die nächste BDK in Berlin beworben – und auch gewonnen. Wahrscheinlich werden wir die nächsten sein, die dafür kritisiert werden, dass wir uns Fahrtkosten und Übernachtung bezahlen lassen, um vom Parteitag aus zu bloggen. Daher möchte ich es jetzt und an dieser Stelle nochmal klarzustellen, dass ich (wie es auch bei Über dieses Blog steht) Mitglied bei den Grünen bin. Aber dass ich mir jetzt Kosten erstatten lassen werde, wird mich nicht daran hindern, kritisch über die BDK zu schreiben – im Übrigen genauso wenig, wie mich daran in der Vergangenheit meine Parteimitgliedschaft gehindert hat, siehe zum Beispiel in meinem Artikel zum letzten Parteitag: BDK in Dortmund: Versuch einer Auswertung

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Ein Kommentar

  1. Die Praktiken der Parteien sind manchmal vielleicht etwas fragwürdig oder lassen zumindest so manchen Bürger wundern. Laut wurde es ja bei der Angelegenheit, dass Poliker angeblich für Gesprächen mit hohen Funktionären kaufen lassen sollen. Ich habe das einfach mal als Medieninformation aufgenommen und als nicht unbedingt belegt in meinem Kopf abgelegt.

    Es ist natürlich berechtigt, wenn Blogger über Parteien als reine Online-Öffentlichkeitsarbeit berichten. Meiner Meinung nach sollten die aber entsprechend dem Medienrecht einen unparteiischen Beitrag abliefern und nicht da Ziel verfolgen den Leser für die Partei ködern zu wollen.

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